Musterdynamik bei Platin und Silber
Ein Marktbericht von Arndt Kümpel
In den letzten Wochen hat sich bei den Edelmetallen Gold, Silber, Platin und Palladium charttechnisch Bedeutendes getan. Es ist aus diesem Grunde interessant, sich die charttechnischen Muster näher zu betrachten. Im Fokus sollen nachfolgend aber die beiden oft weniger beachteten Metalle Silber und Platin stehen.
Aufgrund seiner ähnlichen historischen Verwendung als Geld liegt zunächst ein Vergleich von Gold und Silber nahe. Abgesehen davon, dass Silber schon seit Jahrzehnten entmonetarisiert ist, besitzt das Preisverhalten von Silber eine relativ hohe Korrelation zu dem von Gold. Das mag am langen Schatten der Geldgeschichte liegen, bedeutet aber auch, dass man aus den jeweiligen Abweichungen Handelsstrategien entwickeln kann.
Die Entwicklung beider Edelmetalle seit der Finanzkrise ist denn auch in ihrer Impulsdynamik ähnlich. Jedoch unterscheiden sie sich qualitativ insofern, dass die stärkeren prozentualen Ausschläge des Silberpreises gegenüber dem Goldpreis zu unterschiedlichen Trendumkehrmustern geführt haben. Gold erreichte Zyklushoch von 1920,94 US-Dollar im September 2011 und damit kurz vor Silber und konsolidierte seither in einer ausgeprägten umgekehrten Schulter-Kopf-Schulter-Formation, dessen Tief von 1046,54 US-Dollar im Dezember 2015 erreicht wurde.
Auch wenn Silber den Tiefstkurs aus der Finanzkrise im Oktober 2008 bei 8,45 US-Dollar seither nicht wieder erreicht hat und das Zyklustief der Konsolidierung im Dezember 2015 mit 13,65 US-Dollar deutlich darüber lag, so ist doch das Konsolidierungsmuster ein anderes als bei Gold.
Betrachtet man die Silberpreisentwicklung seit der Finanzkrise, so kann man der seit dem Zyklushoch 2011 laufenden Konsolidierung wenigstens zwei Mustervermutungen zuordnen. Die erste ist ein großer Doppelboden, wobei der erste im Dezember 2015 erreicht wurde und sich der zweite mit dem Zwischentief vom November 2018 bei 13,90 US-Dollar bildete. Aus dieser Sicht lässt sich aus der großen Konsolidierungsdauer neben mittelfristigen Kurszielen vor allem eine Impulsdynamik ableiten. Diese gilt allerdings nur, wenn der Silberpreis zumindest das Tief vom Dezember 2015 bei 13,65 US-Dollar nicht mehr unterschreitet.
Eine zweite Interpretation der Bodenbildung des Silberpreises betrifft seine fraktale Struktur. Nachdem Silber im September 2010 das Zwischenhoch vom März 2008 überwunden hatte und es zu einem explosionsartigen Anstieg bis auf knapp 50 US-Dollar kam, entstand auf Monatsbasis ein Konsolidierungsmuster, welches sich seit dem Zyklustief vom Dezember 2015 auf kleinerer Skala in ähnlicher Form erneut gebildet hat. Dabei entspricht das Zwischenhoch vom Juli 2016 dem Hoch vom April 2011.
Es ist aus dieser Sicht noch offen, ob nicht noch eine weitere selbstähnliche Konsolidierung auf kleinerer Skale folgt. Wenn diese jedoch kommt, sollte sowohl das Tief vom Dezember 2015 als auch jenes vom November 2018 nicht mehr unterschritten werden.
Kombiniert man beide Mustervermutungen, so ergibt sich daraus, dass Silber nur noch ein Abwärtspotenzial bis 13.90 US-Dollar hat, aber ein Vielfaches an Aufwärtspotenzial. Ein Überschreiten der Nackenlinie des Doppeltops, welches durch das Zwischenhoch vom Juli 2016 bei 21,13 US-Dollar gebildet wurde, wäre somit eine doppelte Musterbestätigung. Denn mit dem bestätigten Doppelboden wäre damit auch die Bildung von Konsolidierungsmustern des Abwärtstrends beendet und die seit November 2018 gebildeten Muster auf kleinerer Skala würden nun Hinweise auf fraktale Muster der Impulsdynamik des neuen Aufwärtstrends bieten. Das wird spannend!
Das zweite Paar, dessen Verhältnis nicht nur auf seiner relativen Substitutionsfähigkeit beruht, sind Platin und Palladium. Nimmt man beispielsweise das Zyklustief der Korrektur von Gold im Dezember 2015 bei 1046,54 US-Dollar, so fiel dies auch mit einem Zyklustief bei Platin und Palladium zusammen. Doch während sich Palladium von 454,04 US-Dollar im Dezember 2015 auf aktuell knapp 1.500 US-Dollar mehr als verdreifacht hat, krebst Platin mit aktuell rund 842 US-Dollar nur knapp über dem Tief vom Dezember 2015 von 811,66 US-Dollar. Allerdings wurde dieses im August 2018 sogar noch mit 755,76 US-Dollar unterboten.
Möchte man nun die Kursentwicklung beschreiben, ist auch hier ein Blick auf die Musterbildung interessant. Während Palladium derzeit ein Allzeithoch nach dem anderen erzielt und sich seit dem Krisentief im Dezember 2008 bei 159,50 US-Dollar rund 940 % gestiegen ist, befindet sich Platin in einer gänzlich anderen Dynamik: Es erreichte in der Finanzkrise sein Tief im Oktober 2008 bei 747,50 US-Dollar und testete dieses neben dem Dezember 2016 mehrfach seit August 2018. Seine Impulsstruktur ähnelt in gewisser Weise der von Silber. Das seit der Finanzkrise und seinem Tiefstkurs im Oktober 2008 bis Dezember 2016 ausgebildete Kursmuster ähnelt auf kleinerer Skala jenem, welches Platin seit Dezember 2016 bis zum August 2018 generierte.
Seither bildet Platin ein komplexes Konsolidierungsmuster. Anders als bei Silber liegt der sich seit August 2018 ausbildende Boden unter dem Zyklustief vom Dezember 2018, jedoch gut 8 US-Dollar über dem Tief von 2008. Da Platin tiefer gefallen ist und auf kleinerer Skale eine explosive Struktur erkennbar ist, lassen sich beide Konsolidierungsmuster so zusammenfassen: Wenn Platin das Tief des Jahres 2008 nicht mehr unterschreitet und auch das Tief vom August 2018 hält, stehen die Chancen auf eine mittelfristig explosive Aufwärtsbewegung gut.
Aus der Vogelperspektive könnte man auch sagen, dass sich die Aufwärtsdynamik von Palladium zeitverzögert auf sein relatives Substitut Platin überträgt. Charttechnisch erhält Platin jedoch Rückenwind vom Konsolidierungsmuster des Silbers. Da dieses jedoch mit dem Goldpreis hoch korreliert, ist zu erwarten, dass ein Ausbruch von Gold in zweiter Instanz auch Platin nach oben drückt. Eine Konsolidierung der starken Palladiumbewegung der letzten Monate wäre hingegen ein Stresstest für die beschriebene Vermutung der Bodenbildung von Platin.
Fazit: Die Charts von Gold, Silber Platin und Palladium sind strukturell miteinander verbunden. Ein Blick auf die Kursverläufe von Silber und Platin ergibt eine hohe Ähnlichkeit in Bezug auf ihre Impulsmuster seit der Finanzkrise 2008. Beide Kursverläufe lassen die plausible Vermutung zu, dass die jeweiligen Zyklustiefs erreicht wurden und beide Metalle am Beginn einer mehrjährigen Aufwärtsbewegung stehen. Die relative Attraktivität des Preises von Platin wird durch den enormen Marktstress bei Palladium aufgrund seines physischen Angebotsdefizites immer größer. Die Frage ist, was passiert, wenn die industriell nachgefragten Mengen mit jener einer schnell wachsenden Investmentnachfrage konkurrieren müssten, die das Angebotsdefizit explodieren lassen könnte. Die charttechnische Ausgangslage für einen explosiven Anstieg ist deshalb relativ bei Silber und Platin am besten, die Fehlertoleranz der Muster ist jedoch noch relativ gering, weshalb die genannten Mindestkurse für das entsprechende Risikomanagement eine entscheidende Rolle spielen.
22.02.2019 - Arndt Kümpel - a.kuempel@emh-group.de
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Manfred Silla
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03.11.2019 10:56:30 Uhr