Überraschungen auf den zweiten Blick
Ein Marktbericht von Arndt Kümpel
Bei einer Investition spielt ein unscheinbarer Effekt eine große Rolle: der Basiseffekt. Er bildet die Basis für die deutlich bessere Wertentwicklung vorher ,,ungeliebter‘‘ und damit untergewichteter Anlageklassen. Als Basiseffekt wird der Effekt bezeichnet, wenn bei zunehmender absoluter Größe hohe prozentuale Zuwächse immer schwieriger werden. Je niedriger der Ausgangswert (Basiswert), umso höher die prozentuale Steigerung.
Will man den Basiseffekt an den Kapitalmärkten nutzen, lässt sich dies durch ein Investment in Anlagen realisieren, die nach einer deutlichen Korrektur historisch niedrig stehen und insbesondere keine Risiken aufweisen, die tendenziell ansteigen. Die wesentlichen Risiken sind seit Langem bekannt: fehlende Nachhaltigkeit der Unternehmensgewinne durch billig finanzierte Aktienrückkäufe, historisch hoher Anteile der Gewinneinkommen am Volkseinkommen bei extremer Ungleichverteilung - sozialen Sprengstoff inklusive, abnehmende Risikotragfähigkeit der Privatpersonen, Unternehmen und Staaten weltweit bei gleichzeitig ansteigendem Zinsniveau und damit strukturell steigendes Kreditausfallrisiko.
Taktisch wäre nun eine Rotation zwischen den einzelnen Anlageklassen die Folge, von relativ hoch bewerteten zu relativ unterbewerteten. Ein anlagetechnischer Auslöser könnte eine Zunahme des Value-at-Risk (VaR) sein, eine Kennzahl zur Risikosteuerung, die bei Überschreiten eines individuellen oder aufsichtsrechtlichen Schwellenwertes zu einem Abbau der Risiken der Vermögensanlagen führt.
Einen Hinweis auf eine diesbezügliche Entwicklung gibt die Volatilität, die beispielhaft für den S&P 500 Index anhand des VIX gemessen werden kann. Dieser Volatilitätsindex hat in den vergangenen Tagen charttechnisch seine Konsolidierungszone nach oben verlassen und weist auf eine deutlich zunehmende Schwankungsintensität hin, was angesichts der technischen Gefährdung der führenden Aktienindizes in den USA und Europa keine Überraschung ist.
Investiert man zudem im Umfeld niedrigster Zinsen auf gehebelter Basis, um eine Zielrendite zu erreichen und täuscht sich über die objektiven Risikopotentiale am Markt mit der Illusion eines FED-Puts oder von EZB-Kaufprogrammen, kann dies aus VaR-Sicht schnell zu einer Situation führen, in der man keine Wahl mehr hat, als zu verkaufen. Die eigentliche Ursache dafür ist aber nicht das reale Marktrisiko, sondern die darauf bezogene Selbsttäuschung, die einer vorausschauenden Risikosteuerung im Weg stand.
Die Verhaltensökonomik der Finanzmärkte (Behavioral Finance) hat zu diesen systematischen Schwächen empirisch robuste Daten vorgelegt, deren Beachtung einen einfachen Schluss nahelegt: Risikosteuerung durch den Kauf unterbewerteter Anlagen, die eine geringe oder negative Korrelation zu den bestehenden Anlagen haben, was konkret bedeutet, dass sie kein Gegenparteienrisiko sowie ein höchstens geringes Liquiditäts- und Währungsrisiko aufweisen.
Nach Jahren der Übersättigung der Kapitalmärkte mit Liquidität, die zu einer zumindest temporären Risikoblindheit geführt hat, ist in der aktuellen Situation deshalb neben einer hohen Liquidität vor allem die Erhöhung des Anteils an physischem Gold und Silber eine der wenigen verbliebenen Handlungsoptionen, um das Anlagerisiko zu verringern und sich so für Turbulenzen an den Aktien-, Anleihe- und Immobilienmärkten zu rüsten.
Fazit: Neben dem eingangs erwähnten hohen Basiseffekt für Gold und Silber ist dies ein zweiter potenzieller Auslöser für eine deutliche Aufwärtsbewegung dieser Metalle. Nach jahrelanger Konsolidierung bieten beide Faktoren eine empirisch solide Grundlage für eine mittelfristig aussichtsreiche Investition. Erst recht wenn man annimmt, dass auch die Notenbanken menschliche Fehler bei ihrer Geldpolitik machen, eben weil sie von Menschen gemacht wird. Ein Rückblick auf deren Entscheidungsqualität in Bezug auf Angemessenheit und Timing seit der Gründung der US-Notenbank 1913 mahnt jedenfalls zur Vorsicht.
22.11.2018 - Arndt Kümpel - a.kuempel@emh-group.de
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