Liquidität und Risiko
Ein Marktbericht von Arndt Kümpel
Der Dezember 2018 wird es wohl dieses Jahr in die Annalen der Finanzgeschichte schaffen. Denn die US-Aktienindizes gingen in der vergangenen Woche um rund 7,6 % zurück und machten die bisherige Wertentwicklung des Dow Jones Industrial im Dezember mit einem Rückgang von über 12 % zur schwächsten seit der Weltwirtschaftskrise 1931, als der DJIA um 17 % fiel. Bisher standen die Weihnachtsmonate der Jahre 2002 mit 6,2 % und 1968 mit 4,2 % an zweiter und dritter Stelle.
Dazu trug neben den geld- und haushaltspolitischen Querelen in den USA und dem politischen Hauen und Stechen im Vereinigten Königreich um den Brexit auch eine immer deutlichere Abkühlung des weltweiten Wachstums bei. Ein Anzeichen dafür könnte auch der in der abgelaufenen Woche stark gefallene Ölpreis sein, bei dem die OPEC trotz der Förderbegrenzung in den ersten 6 Monaten des kommenden Jahres mit einem Anstieg der weltweiten Rohöl-Lagerbestände um eine halbe Million Barrel rechnet.
Zudem: Der steigenden Unsicherheit bezüglich des künftigen Gewinnwachstums stehen in den USA nach der letzten Zinserhöhung der US-Notenbank attraktive Zinsen auf kurz laufende öffentliche Schuldverschreibungen gegenüber. Für eine zweijährige US-Staatsanleihe erhalten Investoren so rund 2,7 % Rendite auf Endfälligkeit. Das macht Liquidität und liquiditätsnahe Schuldpapiere zu einer Alternative gegenüber Aktien.
Dass Investoren in Zukunft auch und vor allem bei ihren Anlageentscheidungen das Kreditausfallrisiko stärker gewichten werden, macht noch eine weitere Entwicklung deutlich, die sich im Dezember 2018 ebenfalls verstärkt hat: Das erste Mal seit 2008 zeigt der Markt für Anleihen unterhalb des Status Investment Grade deutliche Anzeichen für eine Änderung des Investoren-Sentiments. Nach Rekordabflüssen aus entsprechenden passiven ETF’s bauen Anleger, die bei Aktienanlagen Verluste erleiden, nun Risiko bei verbrieften Hochrisikoanleihen ab, was die Liquidität in diesem Segment verringert. Dass gehebelte Kreditfinanzierungen für cashflow-negative Kreditnehmer mit schlechter Bonität am Ende eines Kreditzyklus risikotechnisch dünnes Eis sind, ist dabei eine regelmäßig ignorierte Einsicht. Und der Stresstest, wie sich der massive Boom bei passiven Anlagevehikeln auf die Liquidität der zugrundeliegenden Anlagen im Krisenfall auswirkt, steht noch aus.
Einen ersten Vorgeschmack gab es allerdings schon. Im profitablen Geschäft mit gehebelten Anleihen (Leveraged Loans), bei denen die syndizierenden Banken Risikokredite in Produkte in Form von CLO’s (Collateralized Loan Obligations) verpacken und an institutionelle Investoren wie Pensionskassen und Versicherungen verkaufen quietschte es im Dezember. Denn die strukturierenden Banken Goldman Sachs, Wells Fargo & Co. und Barclays Bank, die die zugrunde liegenden Kreditdeals begleiten, blieben zunächst auf einem Teil der Kredittranchen sitzen. Damit liegt das Kreditrisiko bei der Bank und belastet deren Risikotragfähigkeit
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Dies ist nicht nur eine Erinnerung an 2008, sondern auch daran, dass sich die Liquidität in risikoreichen Anlagen immer dann besonders schnell verflüchtigt, wenn sie am meisten benötigt wird. Und es ist wohl mehr als ein Zufall, dass gerade in dem Moment, in dem die Aktienrückkäufe in den USA ein Allzeithoch erreichen, die Risse auf dem Eis der eingefrorenen Risikoaufschläge größer werden.
Der Antipode der Risikoaufschläge als Fieberthermometer des Gegenparteien- bzw. Kreditausfallrisikos sind Anlagen, die diese Risiken strukturell nicht aufweisen und deshalb für solche Risikoaufschläge nicht empfänglich sind. Diese Eigenschaft wohnt gerade den Edelmetallen inne und dürfte einer der wichtigsten Gründe dafür sein, dass Investoren Gold, Silber & Co. umso schneller wiederentdecken werden, je mehr die realen Ausfallraten ansteigen und die Liquidität aus den entsprechenden Anlagen verschwindet.
Fazit: Die Kapitalmärkte und die Weltwirtschaft treten in eine turbulente Phase ihrer Entwicklung ein, bei der sich der Rückenwind extrem niedriger Zinsen und des kooperativen Globalisierungstrends in den Gegenwind von Verteilungskonflikten um die Abwälzung von Risiken und von kompetitivem Konkurrenzkampf um die verbleibenden Vorteile verwandelt. Die Neuentdeckung des Risikos birgt eine enorme Anlagechance für Anlagen wie physische Edelmetalle. Ganz ohne Leverage!
24.12.2018 - Arndt Kümpel - a.kuempel@emh-group.de
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